Bambi

Meine liebe kleine süße Maus,

als wir uns das erste Mal trafen, warst Du nicht mal ein Jahr alt und hattest bereits alles verloren, Deine Freunde, Deine Gesundheit und Deine rumänische Heimat. Nach einem Verkehrsunfall 2010 konntest Du nicht mehr laufen. Der rumänische Tierarzt zog eine traurige Bilanz: Rückenmarksquetschung, ausgekugeltes Hüftgelenk, Lungenriss, Lungenentzündung, Schürfwunden und vieles mehr, aber Du seist nicht querschnittsgelähmt.

Im Juni 2010 holte Dich die STREUNERHILFE nach Deutschland. Du warst damals schon eine unglaubliche Kämpferin, wie sonst hättest Du das alles überstehen können. Ich durfte diesen ganzbesonderen Hund in Pflege nehmen und ich gab Dich nicht mehr her.

Zunächst verbrachtest Du viel Zeit auf der Terrasse und Du gingst eine innige Freundschaft mit den Gartenvögeln ein, die Dich ohne Scheu ganz nahe besuchten und Dir die Zeit vertrieben. Von Deinem warmen und geschützten Platz auf der Terrasse wurdest zu Du zum „Vogelhirten“. Du verbrachtest täglich viele Stunden dort, Sommer wie Winter, Jahr ein, Jahr aus und nahmst Deine Aufgabe die Vögel zu warnen und schützen gewissenhaft wahr. Sie tummelten sich vor Deiner Nase auf der Terrasse und Du gabst Ihnen die Sicherheit.

Nach der ersten Hüft-OP 2011 hast Du fleißig mit dem Lauftraining begonnen. Deine Behinderung hat uns unzertrennlich gemacht. Wo Du warst, war ich auch. Immer so nah bei Dir, zeigtest Du mir Deine Welt und ich begann zu verstehen, auf wen oder was es überhaupt ankommt und wer oder was wirklich zählt.

Zuerst haben wir fleißig mit der Tragehilfe auf der Wiese geübt. Dann kam das Training auf dem Laufband und im Wasser hinzu und schon bald konntest Du die Beine wieder bewegen. 2013 war es so weit. Du bekamst Deinen ersten Rolli und Deine Beinchen tippelten mit. 2015 hatte die Physiotherapeutin schon den Champagner kaltgestellt, für den Fall, dass Du wieder laufen kannst, als geschah, womit niemand gerechnet hatte. Dein zweites Hüftgelenk kugelte aus und unser Traum zerplatzte wie eine Seifenblase.

Wir gaben nicht auf. Gleich nach der zweiten Hüft-OP bekamst Du einen neuen Rolli, mit dem Du noch schneller unterwegs sein konntest. Deine Rollis haben uns zehn Jahre begleitet und wir haben uns das Leben mit ihnen eingerichtet. Wir mussten auf nichts verzichten. Den Rolli nahmen wir einfach überall hin mit, in die Urlaube auf Norderney, auf Wein- und Flohmärkten, auf öffentlichen Veranstaltungen oder in Gartenlokalen, Hotels, zu privaten Besuchen, halt überall, wo wir hinwollten. Du konntest Dich mit dem Rolli auf den Sparziergängen wieder unabhängig von mir bewegen. Deine Nase führte Dich an so viele Orte, wo ich nicht hinkam.

Wir haben gemeinsam viele Kämpfe geführt und nicht immer gewonnen. So auch den letzten Kampf nicht. Du warst so tapfer und hast alles gegeben. Du hast alles richtig gemacht. Es war überstanden! Aber wie konnte es dann doch passieren? Habe ich am Ende versagt? Bitte verzeih mir mein Schatz, wenn ich Fehler gemacht habe.

Wenn ich geglaubt habe, dass die Vögel zu uns kommen, weil ich ihnen Futter gebe, so weiß ich jetzt, dass sie nur wegen Dir gekommen sind. Als ich das Auto nach unserer letzten Fahrt in die Garage fuhr, flatterten und kreischten die Vögel, wie immer, wenn wir zurückkamen. Ich trug Deinen leblosen Körper ins Haus und die Vögel verstummten. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber seitdem Du nicht mehr da bist, meiden die Vögel die Terrasse. Das alte Misstrauen ist wieder da und die Distanz wird jeden Tag größer.

Süße kleine Maus, die Zeit mit Dir war wunderschön! Ich war so stolz, dass Du an meiner Seite warst. Ich vermisse Dich unglaublich und ich muss lernen, ohne Dich auszukommen.

„Seelenhunde hat man sie genannt – jene Hunde, die es nur einmal geben wird im Leben, die man begleiten durfte und die einem geführt haben auf andere Wege. Die wie ein Schatten waren und wie die Luft zum Atmen.“ (Antoine des Saint-Exupery)