Chicca

Jetzt sind 4 Wochen vergangen.
Als ich heute morgen nach einer fast schlaflosen Nacht aufgestanden bin, wusste ich, dass heute der Tag ist, an dem ich Dir schreiben möchte. Ich möchte Dir Dankeschön sagen, Chicci-Micki. Wir waren 14 Jahre, 5 Monate und 2 Tage zusammen. Nicht einen Tag getrennt. Caspar, Cathy, Cara Mia und auch Calimero kennen ein Leben ohne dich gar nicht. Und wir alle müssen nun lernen, in unserem Leben allein zurecht zu kommen. Gar nicht so einfach. Und wir straucheln sehr viel.

Erinnerst du dich, als du zu Claus und mir gekommen bist? Wir haben uns so sehr gewünscht, einem Vierbeiner ein Zuhause zu geben, der in seinem Leben nicht viel gutes erlebt hat. Wir bekamen den Anruf, dass auf Menorca eine kleine Hündin vor der Perrera gerettet worden ist. Wenn wir sie wollten, solle sie sofort in den Flieger nach Deutschland. Wir waren überfordert und sagten nur: „wenn sie uns mag, hat sie einen Platz bei uns.“ Als wir einen Besuch in der Pflegestelle vereinbarten, bist du zu uns gelaufen und nicht von unserer Seite gewichen. Es war die berühmt kitschige Liebe auf den ersten Blick.

Du hast es uns sehr leicht gemacht und gezeigt, worauf wir achten mußten. Okay. Wir mussten lernen, dass ein Griffon ein Jagdhund ist, der sehr eigenständig agiert. Kein Hase, kein Kaninchen war vor dir sicher. Über ein Jahr hat es gedauert, bis wir den Mut hatten, dich ohne Leine laufen zu lassen.

Du warst immer an meiner Seite. Als Claus von jetzt auf gleich fast aus dem Leben gerissen worden ist, warst du es, der ihn sanft angestupst hat. Von einem Tag auf den anderen wurdest du erwachsen. Du hast deine ungestüme Art sofort abgelegt und dich dem kranken Schritt von Claus angepasst. Danke, mein Schatz. Ohne dich wäre ich überfordert gewesen.

Wer sagt, dass Hund und Katze keine Freunde sein können, irrt. Du wolltest nicht alleine bei uns sein und so zog Caspar bei uns ein. Nein, nicht irgendein Kater. Einer, der von dir ausgesucht worden ist und wie du von der Insel Menorca kam. Auf der Rückfahrt von der Pflegestelle hast du mit ihm schon im Auto gespielt.

Wohnmobilreisen war eine Freude mit Dir und Caspar. Wir waren manchmal monatelang unterwegs. Und es gab für uns nichts schöneres, als abends mit dir auf dem Bett zu kuscheln oder Arm an Pfote aus dem Fenster zu schauen.

Als Cara Mia Gefahr lief, nach Rumänien zurück geschickt zu werden, weil sie angeblich bösartig sei, haben wir beide miteinander gesprochen und ich habe dich gefragt, ob wir es schaffen, ihr zu helfen. Erst warst du der Meinung, dass ein Zweithund nicht sein muß, aber dann hast du gemerkt, wie angenehm es ist, nicht mehr allein zu sein. Und so hast Du ihr die Angst genommen und ihr nach und nach alles beigebracht, was sie kann. Danke, Chicca. Du bist wirklich eine wunderbare Lehrerin.

In unserem kleinen Café, in dem vor allem Hunde, Kinder und ältere Menschen ausdrücklich willkommen waren, hast du Freundschaft mit Menschen geschlossen, die voller Angst oder sogar Panik waren, wenn sie einen Hund gesehen haben. Deine ganz eigene Art, ihnen zu begegnen, hat sie für dich eingenommen. Es war eine Freude zuzusehen, wie ängstliche Menschen die Tür öffneten, nach dir gefragt haben und sofort auf dich zugingen, um dich zu streicheln. Diese besondere Art hast du dir bewahrt bis zu deinem Tod. Du bist auf alle zugegangen, hast deinen Kopf in den Schoß gelegt und ganz ruhig abgewartet. Ja, Chicci, Du warst schon auf dieser Erde ein Engel und bist es nun in einer anderen Welt.

Vor 5 Jahren bist du sehr krank geworden, aber wir beide wussten, dass deine Zeit noch nicht gekommen ist. Wir haben darüber gesprochen, dass wir einen anderen Ort für uns alle suchen, an dem Du und Cara mit Caspar viel Spaß, Freilauf und Ruhe haben solltet. Aber nur wenn wir alle zusammen gehen können, würden wir uns auf die Suche machen. 5 anstrengende Monate haben wir jeden Tag in der Tierklinik oder Praxis verbracht. Ich kenne keinen Vierbeiner, der seine Infusion im eigenen Garten angehängt an der Regenrinne bekommen hat. Du hattest deine eigene Krankenpflege und hast alles ohne Klagen mitgemacht. Dann der erhoffte Anruf:“Chiccas Werte sind wieder super. Es ist unglaublich, aber sie hat es geschafft!“

Also haben wir uns alle ins Auto gesetzt sind in den Norden gefahren und haben unser Zuhause gesucht. Du, Cara Mia und Anton, unser Patenhund und dein Freund, haben sich in einem Garten sofort wohlgefühlt. Ja, dieses Haus wurde unser neues Zuhause. Ihr hattet euren großen Garten und das geliebte Meer vor der Tür.
Wir haben durch dich und deine unbändige Lust am Leben so viel neues gelernt hier. Du wolltest ins Wasser, ins Moor, in die Heide, in den Wald. Einfach immer was neues entdecken. Auch wenn Du langsamer und etwas ruhiger geworden bist. Das Feuer blitzte immer wieder auf und dann ging es los.

Aber wenn es um Claus ging, hast du dich immer zurückgenommen. Wenn es ihm wieder schlechter ging und er nicht gut laufen konnte, bist du fast geschlichen, nur um an seiner Seite sein zu können. Ihr beide seid ein tolles Team. Fast jede Autofahrt hast Du auf seinem Schoß gesessen, um mit ihm gemeinsam alles beobachten zu können. Und traurig warst du, wenn er nicht bei uns sein konnte. Geduldig hast du dann mit Cara gemeinsam am Krankenhaus gewartet. Und wenn du ihn dann gesehen hast, warst du nicht mehr zu halten.

Das letzte Jahr hat sehr viel von dir abverlangt. Claus viele Monate im Krankenhaus und bei dir die schlimmen Phasen der Demenz. Du warst so traurig, schlapp und müde. Aber du wolltest auch so gerne noch draussen laufen, rennen, toben, Spaß haben und vor allem mit Claus sitzen. Die nächtliche Angst hat dir zugesetzt, Nicht zur Ruhe kommen und das hin und her laufen. In der eigenen Dunkelheit und Gehörlosigkeit gefangen zu sein. Deine Führung hast Du Cara Mia übertragen, die ab diesem Moment für dich gesehen und gehört hat. Kein Schritt hat eine von euch beiden mehr allein gemacht. Und Deine besondere Liebenswürdigkeit hattest du dir weiterhin bewahrt. Wie sehr bewundere ich dich dafür, mit welcher Freundlichkeit und Genügsamkeit du diese körperlichen und auch geistigen Unzulänglichkeiten ertragen hast. Deine Schmerzen konnte ich dir durch Medikamente nehmen aber deine Müdigkeit nicht.
So haben wir uns aufgemacht und sind jeden Tag an einen anderen deiner Lieblingsplätze gefahren und dort tschüß gesagt. Du hast es so genossen, auch wenn es dich so viel Kraft gekostet hat und du oft schon im Auto eingeschlafen bist oder vor Übermüdung ruhelos warst. Es war schön und traurig zugleich, als ich dich am Wasser aus dem Auto gehoben habe und du langsam aber leicht mit der Rute wedelnd ins Meer gegangen bist. Langsame Schritte voller Freude.

Dann war die Nacht gekommen, in der du mir gesagt hast, dass es nicht mehr geht. Du möchtest nicht mehr. Zusammen haben wir auf dem Fußboden nebeneinander gelegen und uns an unsere gemeinsame Zeit erinnert. Ich habe verstanden, dass du so müde bist, dass du gehen möchtest. Du bist morgens aufgestanden und hast dich aufgemacht in den Garten. Dort hast du dich verabschiedet von allen deinen Plätzen und von Cara Mia, Caspar, Cathy und Calimero. Ich weiß nicht, ob die 4 es gespürt haben, aber sie haben sich nichts anmerken lassen. Du wolltest noch einmal mit Claus wie immer im Auto sitzen und auf der Bank auf seinem Schoß. Wie immer. Und doch war alles anders. Denn wir wußten, dass es das letzte Mal sein wird. Dann bist du mit mir ins Haus gegangen, hast dich in dein Bett gelegt, deinen Kopf in meinen Arm und hast tschüß gesagt. Du bis sofort eingeschlafen. Du hattest recht, mein Schatz. Du warst müde.

Wir vermissen dich und du fehlst uns. Aber wir sind so froh, dass du nun wieder ohne Einschränkungen laufen, toben und spielen kannst.
Und wir versprechen dir, wir werden es schaffen, als nun nur noch 6 C's in dieser Welt klar zu kommen. Denn 7 C's sind wir nach wie vor. Nur dass ein C zwar in einer anderen Welt, doch ganz fest in unserem Herzen ist.