Chip

Liebe Chippi,

als wir in den Sommerferien 2008 in das Bielefelder Tierheim fuhren, und Dich so klein und ängstlich mit diesem großen schwarzen Hund in einer Box sahen, konnte ich nicht mehr weiter gehen. Ich hockte mich zu Dir und du kamst ganz nah an das Gitter und setztest Dich zu mir.. Du warst damals gerade seit ein paar Tagen aus der Tötungsstation aus Fuerteventura nach Bielefeld gekommen. Du warst etwa 3-4 Jahre alt und nur noch Haut und Knochen. Über Dein früheres Leben konntest Du uns leider nichts erzählen und auch die TierheimmitarbeiterInnen nicht. Du hast unser Herz berührt und wir nahmen Dich bei uns auf. Im ersten halben Jahr stellte sich heraus, dass Du Anaplasmose hattest und daher wenig Appetit. Du hattest entzündete Ohren, kahle Stellen im Fell und Epilepsie. Die ersten Tage in deinem neuen zu Hause brauchtest du erstmal Ruhe. Nachdem du die richtigen Medikamente bekommen hattest, ging es dir allmählich besser. Nach drei Tagen hattest du gelernt, dass man nicht in die Wohnung macht. Dein Futter hast du am liebsten auf Spaziergängen vom Boden aufgenommen. Später konntest Du Dich dann auch mit einem Napf anfreunden.

Alleine zu bleiben fiel Dir zunächst sehr schwer. Du hast geheult wie ein kleiner Wolf, sobald wir die Wohnung verließen. Mit geduldigem Training lerntest du aber auch das. Überhaupt haben wir deine Intelligenz bewundert. Innerhalb eines Tages konntest Du einen neuen Trick lernen. Daher mussten wir immer sehr aufpassen, dass Du nicht aus Versehen ein aus unserer Sicht unerwünschtes Verhalten lerntest. Das ging genauso schnell.
Als Du Dir sicher warst, dass Du bei uns bleiben darfst, wolltest du gerne auf uns aufpassen und begannst die Wohnung zu verteidigen. Wir versuchten Dir den Unterschied zwischen FreundInnenen, deren Besuch wir durchaus wünschten, und Einbrechern klar zu machen. Wir haben uns dann darauf verständigt, dass Besuch Dir nicht den Rücken zudrehen durfte, weil Du diesen dann durch einen Biss in die Verse hüten wolltest. Das fanden wir und unser Besuch nicht so gut. Auch haben wir gemerkt, dass Du deutlich entspannter sein konntest, wenn Du nicht mit zur Tür gingst und zunächst in deinem Körbchen bleiben solltest, wenn es klingelte. Wenn der Besuch Platz genommen hatte und Du später dazu kamst, konntest Du besser mit der Situation umgehen.

Fremden gegenüber bliebst Du bis zuletzt misstrauisch. Deine Familie liebtest Du jedoch über alles. Mit Bällchenspielen konntest Du zunächst ger nichts anfangen. Man erklärte uns, dass Du das vermutlich nie als Welpe gelernt hättest und es jetzt zu spät sei, Dir das Spielen beizubringen. Wir gaben nicht auf, Dich zu motivieren und wie hast Du es dann geliebt, Deinem Ball hinterher zu fliegen und Dich auf den Rücken zu werfen, um Dich auf dem Ball zu wälzen, ihn in den Bach zu schubsen und wieder heraus zu holen.... Dein Bällchen hast du auch mit 18 Jahren noch geliebt, auch wenn Du nicht mehr ganz so dynamisch warst.
Noch eine Woche, bevor Du über die Regenbrücke gegangen bist, hast Du Dein geliebtes Ritual eingefordert. Abends zur immer gleichen Zeit mussten wir Deine Leckerlis verstecken und Du hast sie mit großer Leidenschaft gesucht. Waren wir zu spät dran, hast Du uns gerne lautstark an Dein Ritual erinnert.

Den meisten Artgenossen bist Du skeptisch gegenüber getreten. Und doch haben es eine Handvoll Hunde geschafft, sich in Dein Herz zu schleichen und Du hast Dich immer sooo gefreut, sie zu sehen. Deiner Menschenfamilie hingegen warst Du so verbunden, dass das gemeinsame Motto war: Immer dabei. Als Du noch gut zu Fuß warst, bist Du immer freudig mitgewandert. Im Alter hast Du dann Deinen Platz im Hunderucksack oder Buggy gefunden. Da wir Dich aufgrund Deiner Epilepsie nur selten alleine lassen wollten, hast Du es sogar manchmal mit ins Museum und ins Kino geschafft. Und jetzt ist alles so komisch, anders und leer ohne Dich.

Chip, es war so schwer, Dich für immer gehen zu lassen. Wir hoffen dass wir es Dir leicht machen konnten und es der richtige Zeitpunkt war.
Gleichzeitig lieben und vermissen wir Dich. Du hast einen großen Platz in unserem Herzen und wir werden Dich nie vergessen.

Kathrin und Sabina