Moritz

Lieber Moritz,

im Mai 2021 haben wir uns kennengelernt. Am 05. Juni habe ich dich in der Pflegefamilie abgeholt. Niemals hätte ich da gedacht, was mich mit dir erwartet. Du wurdest mir beschrieben als "perfekter anfängergeeigneter Hund", versteht sich mit anderen Hunden, kann alleine bleiben, ist gesund und super fit für sein Alter, besser kann der allererste Hund gar nicht sein. Eigentlich der absolute Traumhund. Direkt bei unserem ersten Treffen hast du mir gezeigt, wie viel Liebe und Zuneigung du brauchst. Ich hatte sofort das Gefühl, wir könnten gut zusammen passen. Du sahst damals noch ganz anders aus: super alt und zauselig. Wie ein richtig, richtig alter Mann. Du hast direkt ab der ersten Sekunde hier jeden Hund blöd angemacht. Gebellt, wie ein Verrückter. Und ich bin ehrlich, die erste Zeit mit dir war echt nicht leicht für mich. Ich habe jeden Tag geweint und so oft drüber nachgedacht, ob ich dich zurückgeben muss. Draußen war jede Minute mit dir so stressig für mich. Aber in der Wohnung - da sind wir uns immer näher gekommen, haben uns kennengelernt, haben so viel gekuschelt. Und ich hab mich verliebt. Dann war mir halt doch recht schnell klar, dass ich dich nicht wieder hergeben kann. Dass wir das halt irgendwie zusammen hinbekommen müssen.
Und ich denke, das haben wir. Wir haben so viel voneinander gelernt. Du hast mir auf die härteste Art und Weise beigebracht, ruhig zu bleiben. Für dich die Coole zu spielen, selbst wenn ich gerade am liebsten eine Panikattacke bekommen hätte. Ich habe lernen müssen, mich selbst zu beruhigen, damit ich dich beruhigen kann. Eigentlich hatte ich mir das genau andersherum vorgestellt: einen Hund, der mir hilft, souveräner durchs Leben zu gehen, weil er mein Ruhepol ist und entspannt bleibt. Wie wir es gemacht haben, war es deutlich anstrengender für mich, weißt du?
Wir hatten einfach nicht mal zwei Jahre miteinander. Das tut mir wirklich weh. Ich hatte noch so viel mit dir vor. Ich wollte dir noch den Strand zeigen, ich wollte mit dir Urlaub machen, durch Wälder laufen und über große Felder. Du bist so viel mit mir in der Innenstadt rumgelaufen, in kleinen Parks und auf kleinen Wiesen. Ich hätte mir noch so viel mehr für dich gewünscht.
Hätte ich deinen Tod kommen sehen, hätten wir auch noch so viel mehr gemacht. Aber der Arzt hat gesagt, es ist nur ein Husten. Ich dachte wirklich wochenlang, du hättest nur einen Husten. Ich hab noch gesagt "Man kann einen Hund doch nicht nur für einen Husten einschläfern lassen!" und "So ernst ist es gar nicht, es ist bloß eine Erkältung." Das hat der Arzt mir so gesagt. Und ich hab ihm halt geglaubt - warum denn auch nicht? Am Verlauf hätte es eh nichts geändert, wenn ich es früher gewusst hätte. Wenn ich geahnt hätte, dass deine Lunge voll mit Tumoren ist und du deshalb so hustest. Dass du irgendwann immer weniger Luft bekommen würdest, bis Atmen schließlich zur Qual wird und ich dich gehen lassen muss. An deiner Krankheit hätte es gar nichts geändert, wir haben ja alles versucht. Aber es hätte vielleicht was an deiner letzten Zeit geändert, wir hätten vielleicht nochmal mehr Ausgefallenes unternommen. So hab ich natürlich gedacht, wir warten einfach, bis es dir besser geht, bis du wieder fit bist.
Vielleicht weißt du aber auch gar nicht, was wir alles hätten machen können. Deine letzten Wochen waren einfach "normal". Stundenlanges Kuscheln, Spaziergänge im Stadtpark, eine letzte Wurst noch vom Kiosk an der Ecke, etwas Zeit im Garten, viele Leckerchen, Spielen im Bett. Regelmäßig Ohren sauber machen - weil "gesunder Hund" für manche Leute wohl eine chronische Ohrenentzündung beinhaltet.
Ich glaube, du hast verstanden, dass ich immer nur das Beste für dich wollte. Dass sogar Ohren saubermachen und Krallen schneiden und Duschen irgendeinen Sinn haben müssen. Dass ich das nicht mache, nur um dich zu ärgern. Du hast mir vertraut und dafür bin ich dir so dankbar. Es war das schönste für mich, zu sehen, wie du bei mir aufgeblüht bist. Mein Herz ist so aufgegangen, als ich verstanden habe, dass du das hier endlich als dein Zuhause ansiehst. Als ich gesehen habe, wie sehr du dich nach langer Zeit woanders freust, einfach heim zu kommen. Wie sicher du dich hier gefühlt hast. Sicher genug, um immer mehr Quatsch anzustellen. Auf den Esstisch zu hüpfen, den Mülleimer umzukippen, mir meine Pizza direkt aus dem Karton zu klauen. Du warst ja nicht dumm, du wusstest ja, dass du das nicht darfst. Du wusstest aber auch, dass nichts Schlimmes passiert, wenn ich dich erwische. Dass ich nur bisschen meckere, aber dir niemals schaden würde. Dass du nie wieder das erfahren musst, was du in deiner Vergangenheit erlebt hast. Ich bin so dankbar dafür, dass du bei mir zwei gute Jahre bekommen konntest. Sichere Jahre, voll mit Liebe. Mit mehr Kuscheleinheiten, als du es dir je hättest träumen können. Dass du von mir Aufmerksamkeit bekommen konntest, wann immer du danach gefragt hast.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie dein Leben vor mir war. Ich habe nur die Narben gesehen - die körperlichen und die seelischen. Und ich kann mir daraus eine grobe Vorstellung machen. Ich hoffe, du weißt, dass du das auf keinen Fall verdient hast. Du warst der allertollste Hund. So lieb, so neugierig, so aufgeschlossen.
Ich fand das so cool, wie du mit Mila unterm Tisch lagst. Wie du alles mitgemacht hast, was die Kleine mit dir anstellen wollte. Wie entspannt du mit allen Kindern immer umgegangen bist. Welche Geduld du hattest.
Auch mit mir. Ich hab bei Gott viele Fehler gemacht. Ich hab bis heute nicht raus, wie man Krallen schneidet, ohne dass es blutet - das tut mir leid. Ich verspreche, ich hab mein Bestes gegeben! Wirklich!
Ich habe noch nie in meinem Leben etwas so sehr geliebt, wie ich dich geliebt habe. Ich hatte noch nie so eine tolle Familie, wie dich. Du warst wirklich alles für mich.
Jetzt, wo du weg bist, fehlst du so sehr. Es ist gerade mal ein Monat her und es fühlt sich so lange an. Es ist so schwer, mit meiner Trauer umzugehen. Du warst doch immer derjenige, der für mich da war, wenn ich traurig war. Du hast mich bei Panikattacken beruhigt. Du hast mir geholfen, wenn ich nur noch weinen konnte. Manchmal schaue ich mir jetzt Bilder von dir an, wenn ich weinen muss. Und manchmal hilft das auch. Ich denke dann an dich und was für ein Quatschkopf du warst. Wie albern du warst. Was für ein absoluter Grantelbart. Ich liebe dich so sehr. Und ich vermisse dich ganz schrecklich.
Ich muss oft dran denken, wie du in meinen Armen gestorben bist. Die beim Tierarzt waren so lieb. Ich bin echt froh, dass du in meinem Schoß einschlafen konntest. Ich weiß, du hast gekämpft und du weißt, ich hab das auch. Wir haben alles versucht, aber es war halt an der Zeit.
Alles ist anders ohne dich. Es geht mir echt nicht gut, aber ich versuche stark zu bleiben. Ich hab oft Anxiety und Panikattacken. Sodbrennen vor lauter Stress. Verspannungen und Kopfschmerzen. Ich weine viel - natürlich. Keiner von uns beiden hat was anderes erwartet, oder?
Meine Freunde helfen mir. Sie geben sich viel Mühe. Mein bester Freund fehlt aber: du.
Mein bester Freund, meine Familie, meine große Liebe, mein Team-Partner, mein Hund, mein Babymann.
Mein Moritz.
Ich liebe dich und werde dich für immer lieben.
Es ist so scheiße, dass du nicht mehr hier bist. Aber du wirst auf ewig ein Teil von mir sein.