Smilla

Liebe Smilla,
noch nie in meinem Leben war ich so unendlich traurig, noch nie habe ich so laut und bitterlich geweint, wie an dem Tag, an dem ich realisierte, dass du für immer von mir gegangen bist.
Als wir uns zum ersten Mal begegneten, warst du gerade mal eine Woche alt, und doch war allen sofort klar, dass du diejenige sein würdest, die fortan unser Leben bereichern wird. Wir besuchten dich jede Woche, bis wir dich endlich mit nach Hause nehmen konnten. Auf der Heimfahrt hast du so sehr gewinselt, dass ich schon dachte, ich müsste dich wieder zurückbringen. Zuhause angekommen aber hast du mit einem Riesenhaufen dein Revier markiert, uns als deine Familie adoptiert und unsere Wohnung als dein Heim angenommen.
Von Anfang an hast du, Fräulein Smilla, dein Gespür für Schnee bewiesen, dich bis ins hohe Alter darin gewälzt, es mit deinem Schnäuzchen durchpflügt oder einfach darin herumgetollt. Vielleicht hast du manchmal gedacht, wir hätten die weiße Pracht extra für dich bestellt, um dir eine Freude zu machen. Glaub mir, wenn wir gekonnt hätten, hätten wir genau das getan, nur um zu beobachten wie glücklich dich das macht.
Du bist zur Schule gegangen, hast gelernt, dass man seine Geschäfte draußen auf weißem, später auch grünem, Untergrund erledigt und warst so treu und gelehrig, dass du stets das Privileg genießen konntest, uns ohne Leine zu begleiten. Das unsichtbare Band zwischen dir und uns war ohnehin viel stärker, als es jedes irdische Material je sein könnte.
Dreimal bist du mit uns umgezogen, bis du endlich über deinen eigenen Garten wachen konntest. Dreimal hast du neue Freunde gefunden, manche musstest du wieder gehen lassen, manche blieben für immer. So wie Lasse, dein BDFF, dein Best Dog Friend Forever, der dich jetzt genauso schmerzlich vermisst wie deine Menschen. Das hat er mir geflüstert. Übrigens genauso wie Max, Mika und Summer, dein persönliches Dreigestirn. Den Rüden hast du in jedem Ort den Kopf verdreht, aber wehe es kam dir einer zu nahe, der hat sich eine gehörige Abfuhr eingehandelt.
Wasser war dein Element, wenn schon nicht in zu weißen Flocken gefrorener Form, dann auch gerne flüssig. Aber nicht zu klar bitte, gut abgestandenem Pfützenwasser hast du jederzeit den Vorzug vor dem frischen Wasser in deinem Napf gegeben. Jeder noch so trübe Tümpel war deiner, da war es dann vorbei mit der Contenance. Nur darin stehen musstest du können, schwimmen war dir unheimlich. Vielleicht saß der Schreck doch zu tief, als du als kleines Mädchen mit anderen jungen Hunden in die Schwentine gesprungen bist und plötzlich keinen festen Grund mehr hattest? Unzählige Bälle sind so in der Elbe und anderen Gewässern geblieben.
Überhaupt deine Bälle. Ein ganzes Leben lang war es für dich völlig unvorstellbar, das Haus ohne einen Ball zu verlassen. Wie toll bist du ihnen hinterhergejagt, solange man sie nach hinten geworfen hat. Nach vorn fandest du stets uninteressant, da musstest du ja sowieso hin, also wozu die Eile?
Wenn es etwas gab, dass du noch mehr geliebt hast als Bällchen spielen oder Schneegestöber, dann war es essen. Schon als Abschiedsgruß an deinen Geburtsort hast du dort als letzte Amtshandlung dem Kater seine Mahlzeit weggefuttert. Satt war ein Begriff, der in deinem Wortschatz nicht vorkam. Dabei warst du immer um Gründlichkeit bemüht, sei es der heimlich aus der Schale stibitzte dänische Kuchen oder die fein säuberlich ausgeschleckte Thunfischdose, die du zur Begrüßung zwischen den Zähnen hattest, als Schatzi nur kurz die vergessene Zutat aus dem Supermarkt nebenan holte. Ebenso geflissentlich wurden Joghurtbecher oder Eisschalen gesäubert und auf mindestens die Hälfte meiner Käsescheiben beim Frühstück hast du ohnehin bestanden.
Stress bist du grundsätzlich aus dem Weg gegangen. Wenn dir ein Hund unheimlich war oder dir gar aggressiv begegnete, hast du einfach einen großen Bogen gemacht und falls es ein anderer Vierbeiner gewagt hatte, dir dein Spielzeug abzunehmen, hast du dich einfach hingesetzt und uns angesehen mit einem Blick, der sagte: „Ihr regelt das, oder?“
Deinem Blick zu widerstehen, war überhaupt nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, wer konnte einem so treuen, liebenswürdigen und reinen Wesen, wie du es warst, schon etwas abschlagen.
Im Alter wurdest du noch anhänglicher. War es schon in der Jugend für dich das größte, einfach dabei sein zu dürfen, wurde dir mit den Jahren auch die körperliche Nähe immer wichtiger. Wie du dich mit deinem weichen Fell fest an mich gekuschelt hast, dafür gab es nur eine Beschreibung: pures, vollkommenes Glück.
Dein Ende auf dieser Erde traf uns nicht ganz unvorbereitet und doch ganz plötzlich und mit entsetzlicher Wucht. So gern hätten wir dir und uns noch ein bisschen gemeinsame Zeit geschenkt, aber du hast uns die Entscheidung angenommen. Wir konnten nur ein dir fest in die Pfote gegebenes Versprechen einlösen und dich bis zu deinem letzten Atemzug begleiten, dich zu streicheln und dir Kopf und Öhrchen zu kraulen in der Hoffnung, dir zumindest ein wenig von der Liebe zurückzugeben, mit der du uns unentwegt überschüttet hast.
Liebe Smilli, es war mir eine Ehre, dein ganzes Leben mit dir verbracht haben zu dürfen. Ich danke dir für deine Liebe, dein Vertrauen, deine Loyalität und unendlich viele schöne Erinnerungen. Jetzt bleibt mir nur noch, dir eine gute letze Reise zu wünschen. Irgendwann sehen wir uns irgendwo wieder, spielen Bällchen im Schnee und teilen Käsescheiben, versprochen!
Dein Knöpfchen.